Freitag, 03. Mai 2024

Sechsjährige üben sich im Brandschutz

Den Feuerwehren im Land mangelt es an Nachwuchs. Jetzt sollen die ganz Kleinen schon ran. Ein Besuch bei der Kinderfeuerwehr in Malente.

An der Sp(r)itze steht Lenya Marisa Ott. Mit aller Kraft hält die Achtjährige die kleine Feuerspritze in der Hand. Schon nach ein paar Sekunden gelingt es ihr, mit dem Wasserstrahl einen Ball von einer Pylone zu schießen. Die Jungs, die um sie herum stehen, bejubeln Lenya, das einzige Mädchen in der ersten Kinderfeuerwehr in Schleswig-Holstein in Malente (Kreis Ostholstein).

Seit zweieinhalb Jahren ist die dortige Kinderfeuerwehr ein eigener Verein, doch der Landesfeuerwehrverband arbeitet mit Hochdruck daran, das Landesbrandschutzgesetz zu ändern, um landesweit Kinder zwischen sechs und zehn Jahren für die Feuerwehr zu gewinnen. So soll der Nachwuchs gesichert werden, denn es gibt immer weniger Feuerwehrleute, in manchen Orten müssen immer gleich mehrere Wehren aus dem Umkreis alarmiert werden, damit genug Retter am Brand- oder Unglücksort sind. „Der demografische Wandel macht uns Sorgen“, sagt Holger Bauer vom Landesfeuerwehrverband.

Noch in diesem Jahr soll deswegen die Neufassung des Gesetzes in trockenen Tüchern sein, die Kinderwehren könnten dann unter dem Dach und mit dem Versicherungsschutz des Landesfeuerwehrverbandes agieren, die Verwaltung wäre einfacher, auch Mitgliedsbeiträge könnten entfallen.

„Wir erhoffen uns durch die Kinderfeuerwehren aber vor allem einen gewissen Klebeeffekt“, sagt Bauer. Martin Guttchen, der die Kinderfeuerwehr in Malente mit ins Leben gerufen hat, spricht sogar von einem „Sogeffekt“. Wenn die Kinder erstmal in der Kinderfeuerwehr seien, wollten sie auch unbedingt in die Jugendfeuerwehr. „Und wiederum 85 Prozent der erwachsenen Feuerwehrleute waren vorher bei uns in der Jugendfeuerwehr aktiv“, sagt er. „Je länger sie dabei sind, desto enger ist die Bindung an die Wehr“, meint Katja Weichert, die die Gruppe jede Woche für eineinhalb Stunden leitet. Hier lernen sie Brandschutzerziehung, wie sie sie auch aus dem Kindergarten oder der Schule kennen. Dazu gibt es viel Sport und allgemeine Jugendarbeit, was den Großteil der Aktivität ausmacht. „Das soll einen spielerischen Charakter haben“, sagt Weichert.

Bewusst tragen die Kinder noch keine Uniformen oder üben das richtige Löschen. Aber probieren dürfen sie natürlich. „Das ist voll super in einem Feuerwehrauto mitzufahren, einmal war sogar das Blaulicht an“, erzählt Kevin Wulff, dessen Eltern auch in der Feuerwehr aktiv sind. Die Augen des Achtjährigen leuchten als er Katja Weicherts Uniformjacke überziehen darf und sie ihm sogar den schweren Helm auf den Kopf stülpt. „Die Begeisterung der Kinder für die Feuerwehr ist bei den meisten schon früh da“, sagt Martin Guttchen, der sich über die kleinen Feuerwehrleute freut. Doch wenn ein Kind eintreten wolle, müssten es viele seiner Kameraden in anderen Wehren wieder wegschicken und auf die Jugendfeuerwehr vertrösten, in der man mit zehn Jahren Mitglied werden kann. „Manche, die das hören, sieht man nie wieder“, sagt Guttchen.

Mittlerweile hat der Feuerwehrmann viele Anfragen aus dem ganzen Land, die sich nach dem Konzept Kinderfeuerwehr erkundigen. Eine Handvoll Kinderbrandschutzgruppen, die sich ebenfalls als eigener Verein gegründet haben, gibt es bereits in Schleswig-Holstein. Anfang März wird die nächste Kinderfeuerwehr in Padenstedt bei Neumünster gegründet. „Die Nachfrage ist riesengroß, viele warten aber ab, bis das Brandschutzgesetz geändert ist, dann wird die Gründung noch leichter“, sagt Guttchen. Viele ältere Feuerwehrleute hätten zunächst Bedenken gehabt, dass eine Kinderfeuerwehr zu viel Arbeit mache, seien aber schnell vom Gegenteil zu überzeugen gewesen. „Es waren dieselben Argumente, die in den 70er Jahren gegen die Gründung der Jugendfeuerwehr vorgetragen wurden, und heute ist die überall total selbstverständlich.“ Schon sei es gelungen, über Kinder, die in der Kinderfeuerwehr mitmachten, auch einige Eltern für den aktiven Dienst zu gewinnen.

Genau auf diesen Effekt hofft der Landesfeuerwehrverband, in dem eine eigene Arbeitsgruppe ein pädagogisch schlüssiges und rechtlich wasserdichtes Konzept für die Kinderfeuerwehr erarbeitet. „Wir haben natürlich in anderen Landesverbänden geschaut, die schon länger eine Kinderfeuerwehr haben, was wir von denen lernen können“, sagt Holger Bauer. Oder eben auch, was die Wehren in Schleswig-Holstein anders machen können. „Es hat aus unserer Sicht keinen Sinn, einfach das Eintrittsalter der Jugendfeuerwehren zu senken, weil man dann Kinder im Alter zwischen sechs und 18 Jahren zusammen hätte. Da sind die Interessen zu unterschiedlich, die kriegt man nicht unter einen Hut“, sagt Bauer. Er will ein eigenes Konzept für die Kinderwehr, so wie es in Malente vorgelebt wird. Und eines ist für die meisten der dortigen 18 jungen Feuerwehrmänner wie Kevin Wulff klar: „Ich will Feuerwehrmann werden.“

Nur Lenya Marisa Ott schiebt das Visier des großen Helms hoch und fragt: „Feuerwehrmann werden? Das glaube ich nicht.“ Wer weiß? Vielleicht will sie einmal als Feuerwehr-Frau an der Spitze stehen.

Quelle: shz vom 17.02.2014